Meinhard
Ansohn
Anfang - immer wieder
Anfang
Eine
Supernova - der Anfang vom Ende
eines Sterns, gleichzeitig Urknall
für die Entstehung eines
schwarzen
Lochs. Für das Leben auf
benachbarten Planeten kann es das
Ende
bedeuten, aber auch für die
Entstehung neuen Lebens sorgen.
Abgebildet
ist der Krebsnebel, fotografiert vom
Hubble-Weltraumteleskop. Es
handelt sich um die Reste einer
Sonne, die im Jahr 1054 im Sternbild
Stier explodiert ist.
Anfänge, Eröffnungen, Starts
Anfangen,
das tun wir jeden Tag, immer
wieder gleich, immer wieder anders.
Musik, als DIE Kunst in der Zeit,
hat mit dem Thema Anfang genau so zu
tun wie wir, die - bewusst oder
unbewusst - täglich viele Anfänge zu
bewältigen haben.
Die meisten Kinder kennen den
"Fußballrhythmus". Er stammt aus
dem Song Hold
Tight, mit dem
1966 die Fußball-WM 1966 begann. Ein Kind oder
die Lehrerin
klatscht ihn vor, jeder klatscht ihn einmal
nach. Manche Kinder
können
sich kaum zurückhalten gleich mitzuklatschen.
Tatsächlich fängt Musik, die wir selber machen
wollen, schon
an,
bevor wir sie spielen. Das ist Kindern noch
nicht bewusst, aber wir
können den Boden für diese Erkenntnis bereiten,
indem wir
darauf
hinweisen: "Das ist ja spannend. Der Anfang war
schon in dir drin. Hast
du gemerkt, wann das angefangen hat?" (s. u.
"Wie unsere Musik anfangen
kann")
Anfänge haben unterschiedliche Qualitäten von
Spannung, Weite
und
Dynamik. Sie lösen dementsprechend verschiedene
Impulse aus. Ein
Tafelbild in der 4. Klasse für eine kleine
Mindmap zum Thema
verändert unser Spiel: Wir sammeln:
•
Anfang, Anstoß,
Anbruch, Ankunft, Auftakt, Ausbruch, Beginn,
Start, Gründung,
Ursprung, Urknall, Entstehung, Geburt, Quelle,
Keim, Eröffnung,
Abreise ...
•
Was entsteht? Wer oder
was startet? Was wird eröffnet? Usw. Probieren
wir nochmal den
Fußballrhythmus:
•
Wie klingt er, wenn wir
ihn als Eröffnung verwenden: "Bitte sehr, unser
neuer Rhythmus
wird
eröffnet ..."?
•
Wie klingt er als Start:
"Auf die Plätze, fertig, los!"?
•
Wie klingt er als
langsame Entstehung aus einem leisen Puls bis
zum knalligen Ausbruch
des Vulkans? (vgl. Musik in der Grundschule
1/12) Was verändert
sich
dabei in Bezug auf Lautstärke und
Geschwindigkeit? Welche Energie
erzeugt welche Art von Anfang? Diese Fragen und
die aus Erfahrungen
gewonnenen Antworten begleiten die Kinder beim
weiteren Musikmachen und Musikhören, aber auch
uns beim Gestalten
von
Unterrichtszeit.
Stundenanfänge
Wie kann es gelingen, jede Stunde als Neuanfang
zu erleben? So eine
Frage stellt sich regelmäßig, wenn man jahre-
bzw.
jahrzehntelang unterrichtet. Zum 18. Mal "Bruder
Jakob" mit leuchtenden
Augen zu präsentieren, ist nicht immer einfach.
Bei der
Präsentation
einer Gruppenarbeit mit rhythmischen Pattern
ohne zu lügen
behaupten:
"Da bin ich aber sehr gespannt, wie ihr das
gelöst habt!" Dazu
braucht
es tatsächlich die immer neue Neugier. Den
Tagesanfang - gegen
alle
Müdigkeit - frisch und fröhlich musikalisch zu
gestalten ist
eine
ewige Herausforderung für Menschen, die den
Schultag nach
spanischem
Vorbild lieber erst um 9 Uhr beginnen würden.
Beispiel
"Bruder Jakob"
Hier ein paar Beispiele für den Beginn einer
Liedeinführung
von
Bruder Jakob:
•
Einfach auf
fränzösisch "Ich habe euch ein berühmtes kleines
Lied
mit- gebracht.
Es kommt aus Frankreich und geht so: ..."
Spontane Reaktionen oder
Lernen des Liedes und dann des Kanons schließen
sich an.
•
Exotisch-finnisch "Ich
habe ein Lied gefunden, das ich euch vorsingen
möchte: Jaakko
kulta,
herää jo! Kellojasi soita, Pium, paum, poum.
(finnisch:
Lieber
Jakob,wach auf! Läute deine Glocken. Pium, paum,
poum.) Spontane
Reaktionen oder rätseln oder einfach der Versuch
es nachzusingen
schließen sich an.
•
Der alte Schatz "Hier
habe ich ein altes Kästchen auf dem Dachboden
gefunden. Ich wollte
es
mit euch öffnen." Gemeinsames öffnen, Entrollen
einer
vorbereiteten,
alt aussehenden Papierrolle auf der Bruder Jakob
mit oder ohne Noten
steht, in einer oder mehreren Sprachen steht.
•
Ein kleiner Witz "Heute
lernen wir mal kein neues Lied, sondern ein
altes. Das ist schon
ungefähr 250 Jahre alt. Ihr kennt es sicher."
•
Melodienraten "Ich summe
euch eine Melodie vor. Wer kennt die Wörter
dazu?" ...
•
Hörmotivation
"Heute
möchte ich euch auf dem Xylophon ein richtiges
Lied vorspielen.
Wir
können es alle spielen und singen lernen, wenn
ihr mögt." ...
•
Eine haarsträubende
Geschichte "Vor vielen Jahren lebte ein Mönch in
einem Kloster. Er
hieß Martin und war ein richtiger Frühaufsteher.
Sein Bruder
lebte auch in diesem Kloster. Er hieß Jakob und
er kam morgens
einfach nicht so richtig aus dem Bett, vor allem
im Winter. Martin
hatte keine Lust Jakob jeden Morgen
wachzurütteln, dafür
hatte er
selber schon genug zu tun. Da kam ihm die Idee,
neue, lautere Glocken
für das Kloster anzuschaffen ..."
•
Internet-Forscher
"Stellt euch vor, im Internet habe ich Seiten
gefunden, auf denen
Bruder Jakob jedesmal in einer anderen Sprache
steht. Allein in
spanisch habe ich vier Versionen gefunden. Dann
habe ich eine Kollegin
in Sevilla angerufen, die an unserem
Comeius-Projekt teilnimmt und sie
gefragt, welche Version die Kinder in Sevilla
singen. Sie kannte keine
einzige spanische Version und sagte nur: "Aber
das ist doch ein
französiches Lied. Wir singen immer ‚Frère
Jacques". Das war eine
überraschung." Es schließt sich ein Gespräch an,
wie
wir das
handhaben wollen. Vielleicht suchen ein paar
Kinder nach Versionen bei
Wikipedia und wir probieren die fremden
Sprachen, falls wir uns trauen
sie (evtl. falsch) auszusprechen.
•
Klassische Entdeckungen
Ich spiele den Kindern Gustav Mahlers 1.
Sinfonie, 3. Satz an.
"Irgendwie kommt mir das bekannt vor." Die
Kinder entdecken die
Unterschiede zum Original oder man entwickelt
gemeinsam langsam
fragend, überprüfend Stück für Stück die
ähnlichkeiten und
Abweichungen der beiden Klangverläufe.
•
...
Sich den eigenen Spaß am Unterrichten zu
bewahren ist eine
Grundvoraussetzung für ein erfülltes
Berufsleben. Etwas neu
oder
anders machen, mit einem Lied immer wieder
anders anfangen, wenn die
Routine die Motivation bedroht, ist nützlich,
auch wenn die
vertrauten
Pfade nach Arbeitsersparnis aussehen. Der Blick
auf die
Unterrichtsinhalte und die Kinder, die immer
wieder anders sind, bleibt
geschärft, wenn wir es schaffen, auch mit alten
Dingen neu zu
handeln.
Wie Musik anfängt
- 1
Erste
Begegnungen mit einem
Musikstück
Manchmal fängt Musik so an, wie Menschen zur Tür
hereinkommen. "Wer
kann zu den folgenden Textbeispielen die
passende Musik finden?" Dazu
spielen wir die Hörbeispiele eins bis sechs und
versuchen die
Textaussagen zuzuordnen
Ich gehe hinein: Hallo, da bin ich! (HB 2) Ich
klingle, klopfe,
klingle, klopfe und dann gehe ich hinein. (HB 1)
Ich rufe: "Hallo, da
bin ich! Was geht ab?" Und los geht die Party!
(HB 5) Ich schleiche
mich hinein. (HB 3) Ein Schritt, ich warte, ein
Schritt, ich warte und
dann hinein. (HB 4) Ich suche umständlich in
allen Taschen meine
Schlüssel und dann, endlich: Da bin ich drin.
(HB 6) Nach der
Zuordnung lässt sich das Ganze auch szenisch
nachspielen.
Spontanes
Bewegungsspiel ist schwierig, weil zu sehr auf
die Impulse der Musik
geachtet wird und weniger auf das Formale.
1 |
Wie
Musik anfängt - erste
Begegnungen
|
Lest
alle
Aussagen
mehrmals
und
prägt
sie
euch
gut
ein.
Welches
Musikbeispiel
gehört
zu welcher Aussage? Verbinde mit Linien.
|
Wie Musik anfängt
- 2
Das
Intro
Einführungen oder Intros haben immer wieder
ähnliche
Grundmuster.
Wenn Kinder eigene Musik mitbringen, finden sich
darin oft
ähnlliche
Gestaltungen, wie in den die hier aufgeführten
Beispielen, die im
nebenstehenden Arbeitsblatt den Hörbeispielen
7-12 zugeordnet
werden
sollen:
Oft beginnt eine Begleitmusik, auf der sich kurz
danach die Melodie
entfaltet. Manchmal gibt es einen Anfang, der
völlig anders ist
als
das, was danach kommt. Viele Popmusikstücke
beginnen mit
Geräuschen,
die sich auf den Text des Songs beziehen und
manchmal direkt in den Rhythmus des Liedes
übergehen. Gern wird im
Intro ein Riff präsentiert. Das ist eine
Begleitfigur, die oft
wiederholt wird. Hier wird das Riff mal nicht
von der Gitarre, sondern
von einer Bigband gespielt. Manche Songs erkennt
man allein an ihrem
Riff. Manche Songs stellen am Anfang die
Instrumente der Reihe nach
vor, hier in der Reihenfolge: Orgel,
Bass+Schlagzeug, E-Gitarren-Riff.
(vgl. dazu auch F. Schnelle: Rock-Intros,
S.
40
in
diesem
Heft).
Wenn die Schüler selbst aktuelle Musik
mitbringen, können wir
eine
Liste anlegen, in der diese Merkmale ergänzt
werden:
•
Anfänge, wo nur das
Schlagzeug den Grundschlag vorlegt,
•
Anfänge, wo die
Sänger
sich selber vorstellen,
•
Anfänge, wo ein
Seufzer, Schluchzer, Juchzer vor allem steht,
•
Anfänge, wo der
Gesang
vor den Instrumenten beginnt oder erst eine
Minute danach. Unsere Liste
dient dem Erkennen von Gemeinsamkeiten des
Anfangsprinzips bei allen
Unterschieden von Melodie, Begleitung und
Sounds. Bei 100 Stücken
werden wir kaum mehr als 15 verschiedene
Anfangsarten finden.
2 |
Wie
Musik anfängt - das Intro
|
Lest
alle
Aussagen
mehrmals
und
prägt
sie
euch
gut
ein.
Welches
Musikbeispiel
gehört
zu welcher Aussage? Verbinde mit Linien.
Achtung! Eine der Aussagen trifft auf
zwei Stücke zu.
|
Wie unsere Musik
anfangen kann
Ganz gleich, welches Lied oder Instrumentalstück
wir spielen
wollen:
Wir müssen klären, wie es losgehen soll. Wenn
wir tanzen,
brauchen
wir vorher eine Haltung oder Aufstellung. Wenn
wir spielen, sind die
Hände in Bereitschaft, sofort am Ton zu sein.
Wenn wir singen,
setzen
oder stellen wir uns bequem, atmen ruhig durch
und machen vielleicht
Stimmübungen vorweg. Die Qualität unseres Tuns
hängt
auch von der
Art der Vorbereitung ab. Nur wer aufhören kann,
kann auch
zuhören,
und nur wer noch nicht spielt, kann spielbereit
sein. Nun soll ein
Stück gespielt werden. Wir probieren
verschiedene Haltungen und
Gruppenaufstellungen aus.
•
Helfen uns die Ideen aus
der Wortsammlung um Anfang?
•
Brauchen wir Zeichen
einer Dirigentin oder eines Dirigenten?
•
Zählen wir das
Tempo
an? Beginnen wir leise und steigern oder
beginnen wir knallig und
reduzieren oder passt zu unserer Musik am
besten, dass alles gleich
laut bleibt?
Der Anfang entscheidet viel über das was danach
kommt. Aller
Anfang
ist gar nicht schwer, aber ihn bewusst zu
gestalten, lohnt sich sehr.
Wann überhaupt
die Musik anfing
Wie die Musik überhaupt anfing, wer sie
"erfunden" hat, wie sie
geklungen haben könnte und warum es sie gibt,
sind Fragen, deren
Beantwortung hier nicht genug Platz hätte. über
www.blinde-kuh.de,
die Kindersuchmaschine gibt es einige Pfade zu
entdecken, auf denen es
viel dazu zu entdecken gibt, z. B. in Lucys
Wissensbox oder wenn wir
Trompis Zeitreise nachvollziehen. Auch in MUSIK in der
Grundschule
1/07 zeigt uns der Bau eines Stampfrohrs
interessante Ideen zum Anfang
der Instrumentenherstellung. Wem das Thema für
die Grundschule
sehr am
Herzen liegt, darf sich gern mal bei uns melden
...
Guten Morgen
Der Kanon Guten
Morgen passt
zum zum Tagesanfang, zur Begrüßung,
zur Einschulung, ... Er lässt uns
verschiedene Sprachen
"kosten", die möglicherweise von Schülern der
Schule
gesprochen
werden oder von neuen Schülern mitgebracht
werden.
Wir können beim Singen das Auf und Ab von
Tonleiterausschnitten
erleben, im 6/8-Takt mitschwingen und Respekt
vor anderen
Nationalitäten üben. Begrüßungsformeln dürfen
gern
ausgetauscht werden, wenn eine im Raum
befindliche Gruppe eine andere
Sprache spricht als die vorgegebenen.
Wie fangen wir an ihn zu lernen? Am besten durch
gemeinsames Sprechen
der Texte, anschließend mit dem Einüben jeweils
einer Zeile
im
Melodierhythmus. Dann singen wir das ganze Lied.
Als Abschluss singen
wir den ganzen Kanon zweistimmig, dreistimmig,
schließlich
vierstimmig.
Wieder die Frage: Wie fangen wir an ihn
vorzutragen? Singt einer allein
los und bestimmt so das Tempo? Brauchen wir
einen Anzähler? Oder
eine
Dirigentin? Oder beginnt ein Instrument ohne
Zählen oder
Anfangszeichen? Oder beginnen alle Instrumente?
Wie laut denn? Und wie
groß muss das Zeichen der Dirigentin sein, damit
alle
ungefähr
die gleiche Lautstärke spielen? Reden wir über
den Anfang und
fangen
wir an.
3 |
Guten
Morgen
M & T: M.
Ansohn
|
Der Anfang vom
Ende
Nachdem wir alles prima gesungen und gespielt
haben - mit gutem Intro -
stellt sich eine ganz neue Frage: Wie hört
unsere Musik auf?
Schlüsse
sind ein Kapitel für sich und werfen neue
Schwierigkeiten auf. Im
Fernsehen ist immer weniger Zeit für Schlüsse.
Oft beginnt
schon
etwas Neues, wenn das Vorhergehende noch läuft.
Im Radio ist es
ähnlich. Nur keine Pausen, nur kein Punkt mit
Neuanfang.
Schlüsse
kennen wir fast nur noch als den Zwang ins Bett
zu gehen oder als
Schulklingel beim Pausenende. Es ist schwierig,
eine Sache oder ein
Musikstück gut zu beenden. Wie gern lassen wir
etwas unbeendet
liegen,
wenn ein neuer Anfang lockt.
Beim Kanon Guten
Morgen hat
sich eine Art Abbau ein bewährt - das Pendant
zum Aufbau (s. o.
Absatz
"Wie Musik anfängt" und Artikel von Frigga
Schnelle in diesem Heft
zum
Intro von Smoke
On The Water).
Nach
und
nach
beendet
jede
Kanon-Stimme
das
Lied,
bis
am
Schluss nur
noch "Günaydin, guten Tag" als letztes erklingt.
Das Wort "Tag" am
Schluss wird als Zeichen des Endes etwas länger
ausgehalten.
|